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30 Jahre Atemschutz bei der Feuerwehr Seitingen-Oberflacht

Atemschutz?! Eine Technik, die die Brandbekämpfung revolutionieren sollte, gab es noch vor 30 Jahren in Seitingen-Oberflacht nicht. Wir berichten über die Einführung des Atemschutzes bei der Feuerwehr Seitingen-Oberflacht im Jahre 1986/1987.

Samstag, 16. Juli 2016. Um 16:50 Uhr ertönen die Digitalmeldeempfänger der Feuerwehr Seitingen-Oberflacht. „B-04 Küchenbrand, Hohnerstraße“ steht auf dem Display. Die Kameraden fahren auf dem schnellsten Weg ins Gerätehaus. Bereits wenige Minuten nach der Alarmierung biegt das Löschgruppenfahrzeug in die Rathauskurve ein, der schnellste Weg an den Einsatzort. Rauch dringt bereits aus einem Fenster, das der Straße zugewandt ist. Der Angriffstrupp steigt aus. Bereits auf der Fahrt haben sie sich die Atemschutzmasken und Atemschutzgeräte angelegt. Sie bekommen ihren Einsatzbefehl. „Brandbekämpfung mit 1. C-Rohr und Mobilem Rauchvorhang“. Die beiden setzen den Rauchvorhang und öffnen die Türe zur Küche. Drückender, dichter Rauch quillt ihnen entgegen. Sie arbeiten sich vor, sehen kein Feuer. Sie schalten den Herd ab und öffnen ein Fenster, wodurch der dichte, giftige Brandrauch schnell aus dem Raum entweichen kann. Zusätzlich wird ein Überdrucklüfter in Stellung gebracht, der den restlichen Brandrauch hinausdrückt. Einsatzende für den Angriffstrupp. Die beiden kommen aus dem Gebäude heraus. Sie legen ihre Ausrüstung ab – trinken etwas. Das Adrenalin ist ihnen noch anzusehen. Nur langsam fährt der Puls runter.

Das ein Brandeinsatz so „einfach“ ablief, war in den vergangenen über 100 Jahren in der Geschichte der Feuerwehr Seitingen-Oberflacht kein Regelfall. Gehen heute Feuerwehrleute ohne Probleme in brennende Gebäude vor, so war dies vor einigen Jahren noch um einiges schwieriger. Die Technik, die die Brandbekämpfung revolutionieren sollte, gab es noch vor 30 Jahren in Seitingen-Oberflacht nicht.

Den Atemschutz!

Erste Überlegungen Atemschutzgeräte anzuschaffen, hatte die damalige Feuerwehr Seitingen bereits 1982 angestrebt. Grund hierfür war u.a. ein Brandeinsatz am 11. Januar 1982. Im Schriftführerbericht von damals ist zu lesen, dass die Feuerwehr um 23.30 Uhr durch Sirenengeheul zu einem Dachstuhlbrand in der Sandbühlstraße alarmiert wurde. „Durch den schnellen und überlegten Einsatz war es möglich, den Brand schnell unter Kontrolle zu bringen. Durch den beißenden Qualm, verursacht von brennenden chemischen Baustoffen, der das Vordringen an den Brandherd erschwerte, zeigte sich wieder ganz deutlich, wie wichtig und notwendig Atemschutzgeräte bei solchen Brandeinsätzen wären.“ (Zitat aus dem Schriftführerbericht von Anton Dufner). Doch es sollte weitere vier Jahre dauern, bis die ersten Feuerwehrkameraden als Atemschutzgeräteträger ausgebildet wurden.

Das Feuerwehrarbeit nicht immer einfach und ungefährlich war, stellte ein Brandeinsatz am 25. und 26. Februar 1983 deutlich heraus. Um 10.35 Uhr wurden die Feuerwehren Seitingen und Oberflacht zu einem Ökonomiegebäudebrand in der Oberen Hauptstraße in Seitingen alarmiert. Gegen 11.15 Uhr hatten die Feuerwehren das Feuer unter Kontrolle, sodass die Feuerwehr Oberflacht um 11.30 Uhr wieder abziehen konnte. Das Dach des Ökonomiegebäudes wurde zerstört, sowie das Schlafzimmer. Das Wohnhaus konnte zum größten Teil gerettet werden, nur die Küche und ein Teil des Treppenhauses wurden durch Löschwasser beschädigt.

 

Der heutige Ehrenkommandant BM a.D. Georg Bänsch, der damals Kommandant (29.01.1971 – 16.03.1984) der Feuerwehr Seitingen war schreibt in seinem Einsatzbericht „Der Wasserschaden im Wohnhaus hätte verringert werden können, wenn Atemschutz vorhanden gewesen wäre und wir so einen gezielten Innenangriff hätten vornehmen können. Die Feuerwehr hat ihr Möglichstes getan.“Am nächsten Tag fanden weitere Nachlöscharbeiten statt. Im ehemaligen Kälberstall brannte es zwischen der Decke. Somit musste der Bretterboden aufgebrochen werden. Bei dieser Arbeit stürzte ein Feuerwehrkamerad ungefähr 2m ab, verletzt wurde er glücklicherweise nicht.

 

Mit Beschaffung des LF8 1987 wurden auch die ersten vier Atemschutzgeräte angeschafft. Bereits im November 1986 nahmen die ersten fünf Feuerwehrmänner der Gesamtfeuerwehr Seitingen-Oberflacht (Sulzmann, Platzer, Dufner, Bacher, alle Abteilung Seitingen und Keller Abteilung Oberflacht), an einem Atemschutzgeräteträgerlehrgang in Radolfzell am Bodensee mit Erfolg teil.

Nach den ersten Übungsdiensten mit der neuen Technik u.a. bei der Jahresabschlussübung beider Feuerwehrabteilungen am 14. November 1987 in der Weilheimer Straße, folgte am 12. März 1988 der erste Einsatz unter Atemschutz. Zu einem Dachstuhlbrand in die Gunninger Straße wurde die Feuerwehr um 11.30 Uhr durch die Sirene auf dem Rathausdach alarmiert. Beim Eintreffen der Wehr stand der neuausgebaute Dachstuhl in Flammen. „Mit Atemschutz versuchten wir, den Brand direkt zu bekämpfen. Es konnte nicht verhindert werden, dass der Brand sich auf den Heustall ausbreitete. Ein Übergreifen auf das Nachbarhaus konnte durch den gezielten Einsatz verhindert werden. Durch die Mithilfe der Abteilung Oberflacht und der Stützpunktfeuerwehr Tuttlingen konnte das Feuer nach ca. zwei Stunden unter Kontrolle gebracht werden.“ (Zitat aus dem Kommandantenbericht des damaligen Abteilungskommandanten Roland Sulzmann).

Zahlreiche Einsätze, bei denen sich die Anschaffung durchaus als absolut unumgänglich zeigte, folgten in den nächsten drei Jahrzehnten.

Rollcontainer Atemschutztechnik
Rollcontainer Atemschutztechnik

Bis heute hat sich die Technik, Ausrüstung und Ausbildung im Bereich Atemschutz kontinuierlich weiterentwickelt. War zu Beginn die Anzahl der Atemschutzgeräte bei der Feuerwehr Seitingen-Oberflacht mit vier Stück sehr überschaubar, so ist diese u.a. durch die Beschaffung des Gerätewagen Logistik 2 und dem sich darauf befindenden „Rollcontainer Atemschutz“ auf insgesamt 10 Stück gestiegen. Zudem stehen ausreichend Ersatzflaschen bereit, um im ersten Moment ausreichend Atemschutztechnik an der Einsatzstelle zu haben.

Derzeit sind 15 Atemschutzgeräteträger bei der Feuerwehr Seitingen-Oberflacht eingesetzt. Unter ihnen ein Atemschutzausbilder des Landkreises Tuttlingen. Jährlich finden zwei Termine zur Belastungsübung und im Brandübungscontainer statt, die jeder Atemschutzgeräteträger einmal innerhalb von zwölf Monaten absolvieren muss.

Seit Oktober 2016 werden die Belastungsübungen im neuen Atemschutzzentrum der Landkreise Tuttlingen und Schwarzwald-Baar-Kreis in Tuttlingen durchgeführt. Den Einsatzkräften steht dort ein hochmodernes und zeitgemäßes Ausbildungszentrum für die Ausbildung im Bereich Atemschutz zur Verfügung. Im Frühjahr 2017 folgte auch die neue Heißausbildung im Brandübungscontainer, der ebenfalls auf dem Gelände des Atemschutzzentrums aufgebaut wurde.

Zusätzlich zum „normalen“ Übungsdienst der Feuerwehr Seitingen-Oberflacht halten die Atemschutzgeräteträger separate, gezielt für die Anforderungen des Atemschutzes zugeschnittene, Dienstabende und Übungen ab. Hier wird das Vorgehen im Atemschutzeinsatz, die Handhabung mit Technik und Gerät sowie Einsatzgrundsätze gezielt geübt und immer wieder durchgeführt, um Handgriffe und Abläufe regelmäßig zu trainieren und zu verinnerlichen.

Weitere Informationen zum Thema „Atemschutz“ bei der Feuerwehr Seitingen-Oberflacht und im Landkreis Tuttlingen erhalten Sie auf den nachfolgenden Seiten: